Bei der Aktiengesellschaft wird die Treuepflicht in Art. 717 Abs. 1 OR hervorgehoben. Danach müssen Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren. Die Vorschrift mag besonders bei kleinen Aktiengesellschaften, wo die Mitglieder des Verwaltungsrats ebenfalls die Aktionäre sind, als unproblematisch erscheinen. Bei solchen Gesellschaften wird oft vergessen, dass bei Rechtsgeschäften zwischen dem Aktionär (und Verwaltungsrat) als Privatperson und der eigenen Gesellschaft primär die Interessen der Gesellschaft gewahrt werden müssen. Verkauft z.B. ein Aktionär (und Verwaltungsrat) seiner eigenen Aktiengesellschaft eine private Liegenschaft, muss der Kaufpreis einem Drittvergleich stand halten. Zu beachten ist, dass schwere Verstösse gegen die Treuepflicht sogar den Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) erfüllen können.
Unter dem Oberbegriff der Treuepflicht müssen namentlich folgende Pflichten beachtet werden:
- Geheimhaltungs- und Schweigepflicht
- Konkurrenzverbot
- Verbot von Insidergeschäften
Neben der Sorgfalts- und Treuepflicht ist bei der Aktiengesellschaft die Gleichbehandlungspflicht (Absatz 2 von Art. 717 OR) der Aktionäre zu beachten. Auch diese Vorschrift ist gerade bei kleinen Aktiengesellschaften mit Minderheitsaktionären (z.B. Mitarbeiter) nicht ohne Bedeutung.
Mitglieder des Leitungsorgans und der Geschäftsleitung sind bereits aufgrund arbeitsrechtlichen Bestimmungen an Sorgfalts- und Treuepflichten gebunden (vgl. Art. 321a OR). Dabei müssen Sie auf Interessenskonflikte achten und wenn solche Auftreten immer die Interessen des Arbeitgebers wahren. Mit der Aktienrechtsrevision 2023 und dem neuen Art. 717a OR werden Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung verpflichtet, den Verwaltungsrat über bestehende Interessenkonflikte unverzüglich und vollständig zu informieren. Zudem muss ebenfalls der Verwaltungsrat Massnahmen, die zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft nötig sind, ergreifen. Gemäss Botschaft zur Aktienrechtsrevision 2023 ist "für die Meldepflicht ohne Bedeutung, ob ein potenzieller Interessenkonflikt vorliegt oder bereits ein unauflösbarer Widerspruch entstanden ist". Es besteht also immer und unverzüglich eine förmliche Meldepflicht.
Interessenskonflikte müsse immer sorgfältig geklärt werden. Gemäss Botschaft zur Aktienrechtsrevision 2023 bleibt bei einem dauerhaften Interessenkonflikt (z.B. aufgrund anderer Mandate) einem Mitglied des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung letztendlich nur die Ausscheidung aus dem entsprechenden Organ übrig.