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Leitungsorgan

Bei Unternehmen mit juristischer Rechtspersönlichkeit besteht ein formelles oberstes Leitungsorgan. Bei der AG ist dies der Verwaltungsrat und bei der GmbH sind es "die Geschäftsführer". 

Bei Unternehmen ohne eigene juristische Rechtspersönlichkeit, wie Einzelfirmen und Kollektivgesellschaften, wird die Leitung auf oberster Ebene durch den / die Inhaber bzw. die zur Vertretung befugten Gesellschafter (Privatpersonen mit unbeschränkter Haftung für Geschäftsschulden auch mit dem Privatvermögen) wahrgenommen.

Zum Leitungsorgan im weiteren Sinne können auch Direktoren, Geschäftsführer oder externe Berater, ohne explizite Mitgliedschaft in einem entsprechenden formellen Organ, gezählt werden. Diese Personen können unter Umständen persönlich wie ein Organmitglied haftbar werden (faktische Organschaft).

Gemäss Gesetz (Art. 716a OR) hat der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft folgende unübertragbare und unentziehbare Aufgaben:

Im KMU-Umfeld von Bedeutung ist ebenfalls das Leitungsorgan in Form des Stiftungsrats, denn jeder Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet seine Mitarbeiter im Rahmen der beruflichen Vorsorge zu versichern. Dies geschieht über eine Vorsorgestiftung, wie Einzel-, Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung.


Die wichtigsten Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften für ein Mitglied des Leitungsorgans sind:

  • Integrales unternehmerisches Denken und Handeln
  • Unabhängigkeit und Integrität
  • Oppositionsfähigkeit
  • Sensibilität, Spürsinn für Veränderungen (Chancen, Risiken)
  • Disponibilität und Flexibilität
  • Fachkompetenz

Es geht darum folgende zentrale Aufgaben wahrnehmen zu können:

Wird vom Leitungsorgan eine Geschäftsführung eingesetzt, können die Aufgaben grösstenteils delegiert werden. Die Delegation entbindet das Mitglied eines Leitungsorgans nicht von seiner obersten Verantwortung und der Fähigkeit, sich auch selbst mit delegierten Aufgaben auseinander setzen zu können und allenfalls kritische Fragen zu stellen. Wer nie etwas sagt, sagt zwar nichts Falsches aber verhindert auch nichts Falsches. Im Schadenfall wird Letzteres zum Verhängnis werden und nicht, dass einmal etwas Falsches vielleicht im falschen Moment gesagt wurde.


Voraussetzung für eine Haftung eines Mitglieds des Leitungsorgans ist immer eine Sorgfaltspflichtverletzung. Um Haftungsrisiken zu vermeiden, muss demzufolge nachweisbar mit aller "Sorgfalt" gehandelt werden. Nach allgemeiner rechtlicher Definition ist Sorgfalt eine Handlungsweise, die ein vernünftiger und gewissenhafter Mensch unter gleichen Umständen und in einem vergleichbaren Moment anwenden würde oder angewendet hätte. Sich alleine an der Grundregel eines der Situation angemessenen und vernünftigen Handelns zu orientieren ist jedoch noch kein Schutz vor Schadenersatzansprüchen aus Sorgfaltspflichtverletzungen. Insbesondere schützt die Argumentation "man habe es nicht gewusst" nicht einfach vor entsprechender Verantwortung. Ein Mitglied eines Leitungsorgans muss nicht Experte in allen möglichen Belangen der Unternehmensführung und Überwachung sein. Gute betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse sind hingegen neben der rein unternehmerischen Fachkompetenz unerlässlich.

Aspekte und Handlungsweisen, die bezüglich Sorgfalt bzw. zur Vermeidung von Sorgfaltspflichtverletzungen beachtet werden müssen, ergeben sich aus Gesetz, Literatur und Rechtsprechung. Nachfolgend werden einige Aspekte in Anlehnung an Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat 2001 Bern, kurz erläutert:

Entscheid bei der Mandatsannahme
Die für die Wahl in ein Leitungsorgan angefragte Person muss sich überlegen, ob sie die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse hat und über die nötige Zeit verfügt das Amt gewissenhaft auszuführen. Mit Annahme der Wahl bestätigt der Kandidat, dass er sich dazu befähigt fühlt und entsprechend auch die Verantwortung übernehmen kann. Dies ist von entscheidender Bedeutung, weil die fehlende Qualifikation bei einem eingetretenen Schaden bereits eine Haftung begründen kann.

Selbstkritische Aufgabenwahrnehmung
Die Annahme eines Mandats ohne ausreichende Qualifikation muss an und für sich noch keine Pflichtverletzung sein. Die Pflichtverletzung ergibt sich aber spätestens aus dem nicht oder nicht korrekten Erfüllen von Aufgaben mangels nötiger Qualifikation (Fähigkeiten und Kenntnisse). Ein Mitglied eines Leitungsorgans kann bis zu einem gewissen Grad mangelnde Kenntnisse durch entsprechende Informationsbeschaffung und systematische Schliessung der Wissenslücken kompensieren. Dies kann z.B. bei einer Wahl als Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervertreter in einen Stiftungsrat der Fall sein. Erkennt ein Mandatsträger jedoch, dass er den Anforderungen doch nicht gewachsen ist und die notwendige Zeit zur Schliessung der Lücken nicht aufbringen kann, ist es in seinem Interesse das Mandat so rasch wie möglich wieder niederzulegen.

Mitwirkungs- und Handlungspflicht
Ein Mitglied eines Leitungsorgans hat die Pflicht sich über den Geschäftsgang oder einzelne Geschäfte zu informieren und aktiv im Gremium mitzuarbeiten. Bei unklaren oder unvollständigen Informationen müssen zusätzliche Auskünfte verlangt werden. Diese können ausserhalb einer Gremiumssitzung oder auch mittels Einberufung (bei AG gemäss Art. 715 OR über den Präsidenten) einer speziellen Sitzung beschaffen werden. Handlungs- und Mitwirkungspflicht bedeutet aktiv am Leitungsprozess auf oberster Führungsebene teilzunehmen und gegebenenfalls selber aktiv in den Prozess einzugreifen. Es ist nicht damit getan an den Sitzungen teilzunehmen! Eine Sorgfaltspflichtverletzung kann sich nicht nur durch unsorgfältige Arbeit an und für sich ergeben, sondern ebenfalls durch das Nichterkennen einer zu erfüllenden Aufgabe oder die Unterlassung in bestimmter Situation zu handeln (z.B. Überschuldungsanzeige bei einer AG).

Delegation der Geschäftsführung
Bei grösseren KMU's wird die Geschäftsführung in der Regel entsprechend einem Organisationsreglement an einen Delegierten des Verwaltungsrats oder an einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsleitung übertragen. Der Verwaltungsrat bzw. das Leitungsorgan muss diese Wahl mit aller "Sorgfalt" vornehmen. Die Befähigung der eingesetzten Personen muss nachweislich gegeben sein. Vernachlässigt der Verwaltungsrat bei einer Aktiengesellschaft seine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl der Geschäftsführung, verletzt er bereits seine Sorgfaltspflicht.

Organisatorisches Umfeld, Informationsfluss
Zu den unübertragbaren Aufgaben eines Verwaltungsrates bei einer Aktiengesellschaft gehört die "Festlegung der Organisation". Das Gleiche gilt für den Stiftungsrat bei einer Personalvorsorgestiftung, wo die einzelnen Aufgaben und Kompetenzen im Reglement umschrieben werden. Auf oberster Ebene geht es stets um die Organisation in den wesentlichen Grundzügen. Die Festlegung der eigentlichen Detailorganisation kann an die Geschäftsleitung delegiert werden. Zu den Grundzügen gehört die Aufbauorganisation (wer was tut und wer wem unterstellt ist) und die Regelung der Informationsflüsse (Berichterstattung). Die Ausgestaltung der Ablauforganisation und nötigenfalls des internen Kontrollsystems (IKS) muss bei kleineren und mittleren Organisationen nicht mehr Aufgabe des Verwaltungsrats selbst sein. Eine Risikobeurteilung muss seit Revision des Rechnungslegungsrechts ab 2013 rein gesetzlich nur noch bei grösseren Unternehmen im dort zu erstellenden Lagebericht vorgenommen werden. Es scheint jedoch selbstverständlich, dass eine solche auch bei kleineren Unternehmen regelmässig vorgenommen wird.


Bei der Aktiengesellschaft wird die Treuepflicht in Art. 717 Abs. 1 OR hervorgehoben. Danach müssen Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren. Die Vorschrift mag besonders bei kleinen Aktiengesellschaften, wo die Mitglieder des Verwaltungsrats ebenfalls die Aktionäre sind, als unproblematisch erscheinen. Bei solchen Gesellschaften wird oft vergessen, dass bei Rechtsgeschäften zwischen dem Aktionär (und Verwaltungsrat) als Privatperson und der eigenen Gesellschaft primär die Interessen der Gesellschaft gewahrt werden müssen. Verkauft z.B. ein Aktionär (und Verwaltungsrat) seiner eigenen Aktiengesellschaft eine private Liegenschaft, muss der Kaufpreis einem Drittvergleich stand halten. Zu beachten ist, dass schwere Verstösse gegen die Treuepflicht sogar den Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) erfüllen können.

Unter dem Oberbegriff der Treuepflicht müssen namentlich folgende Pflichten beachtet werden:

  • Geheimhaltungs- und Schweigepflicht
  • Konkurrenzverbot
  • Verbot von Insidergeschäften

Neben der Sorgfalts- und Treuepflicht ist bei der Aktiengesellschaft die Gleichbehandlungspflicht (Absatz 2 von Art. 717 OR) der Aktionäre zu beachten. Auch diese Vorschrift ist gerade bei kleinen Aktiengesellschaften mit Minderheitsaktionären (z.B. Mitarbeiter) nicht ohne Bedeutung.

Mitglieder des Leitungsorgans und der Geschäftsleitung sind bereits aufgrund arbeitsrechtlichen Bestimmungen an Sorgfalts- und Treuepflichten gebunden (vgl. Art. 321a OR). Dabei müssen Sie auf Interessenskonflikte achten und wenn solche Auftreten immer die Interessen des Arbeitgebers wahren. Mit der Aktienrechtsrevision 2023 und dem neuen Art. 717a OR werden Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung verpflichtet, den Verwaltungsrat über bestehende Interessenkonflikte unverzüglich und vollständig zu informieren. Zudem muss ebenfalls der Verwaltungsrat Massnahmen, die zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft nötig sind, ergreifen. Gemäss Botschaft zur Aktienrechtsrevision 2023 ist "für die Meldepflicht ohne Bedeutung, ob ein potenzieller Interessenkonflikt vorliegt oder bereits ein unauflösbarer Widerspruch entstanden ist". Es besteht also immer und unverzüglich eine förmliche Meldepflicht. 

Interessenskonflikte müsse immer sorgfältig geklärt werden. Gemäss Botschaft zur Aktienrechtsrevision 2023 bleibt bei einem dauerhaften Interessenkonflikt (z.B. aufgrund anderer Mandate) einem Mitglied des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung letztendlich nur die Ausscheidung aus dem entsprechenden Organ übrig.

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