Wann ist die Nachfolgefrage aktuell?

Betrachtet man den heutigen Alltag in den Schweizer KMU zeigt sich ein spezifisches Phänomen: die Inhaber, die gleichzeitig Geschäftsführer sind arbeiten in sehr vielen Fällen weit über die Pensionierungsgrenze von 65 bzw. 64 Jahren hinaus. Dies hat viel mit den besseren gesundheitlichen Bedingungen zu tun. Folge dieser Erscheinung ist, dass die Nachfolgefrage sich vielfach später stellt als früher. Trotzdem ist die Auseinandersetzung mit der Frage der Nachfolge nach wie vor eine dringende und sollte genug früh angegangen werden.

Die schweizerische Realität zeigt, dass bei rund 30% der Unternehmen die Beschäftigung mit der Nachfolge aufgrund einer systematischen Zukunftsplanung erfolgen, ein weiteres Drittel befasst sich mit dem Thema aufgrund von Krankheit oder Tod des Inhabers und rund 40% beschäftigen sich mit der Nachfolgethematik erst aufgrund von Problemen in der Unternehmung.

Es ist offensichtlich, dass wenn die Nachfolgefrage erst gestellt wird, wenn sie dringlich ist, sich das Risiko einer Fehllösung erhöht.

Gemäss einer Analyse der Helbling Unternehmensberatung erhöht sich nämlich das Risiko einer Fehlentwicklung nach der Übernahme massiv wenn die Nachfolgeplanung zu kurzfristig und „erzwungen“ ist.

In einer solchen Situation entwickeln sich:

  • 17% der Unternehmen positiv (Umsatz- und Ertragswachstum grösser 5%)
  • 31 % der Unternehmen stagnieren (Umsatz- und Ertragsentwicklung +/- 5%)
  • 52% der Unternehmen negativ (Umsatz- und Ertragsverlust grösser 5%)

Natürlich hängt der Zeitpunkt einer Nachfolgeregelung von verschiedenen Faktoren ab. Je nach Situation und Voraussetzungen besteht die Notwendigkeit die Planung an die Hand zu nehmen etwas früher oder etwas später. Eine allzu frühe Nachfolgeplanung kann genau so problematisch werden wie eine zu späte. Wie in der Praxis oft zu sehen ist, werden zum Teil Nachfolger sehr früh von den Inhabern portiert, scheiden dann aber lange vor der geplanten Übernahme aus dem Unternehmen aus. Gründe dafür gibt es viele, die Wichtigsten sind:

  • Konflikte zwischen Inhaber und designiertem Nachfolger bezüglich Führung und Strategie des Unternehmens,
  • Mangelnde Bereitschaft des designierten Nachfolgers lange warten zu müssen bis die Ablösung endlich erfolgt.

Grundsätzlich ergibt sich der optimale Zeitpunkt für die Nachfolgeplanung aus der Beantwortung folgender Fragen:

Wer kommt als Nachfolger in Frage?

  • Wie lange plane ich noch operativ das Unternehmen zu führen?
  • Strebe ich eine stufenweise oder eine schnelle Übergabe des Unternehmens an?
  • Gibt es eine familieninterne Nachfolgemöglichkeit?
  • In frühestens wie vielen Jahren kann ein familieninterner Nachfolger die Führung des Unternehmens selbstständig übernehmen?
  • Muss die Nachfolge familienextern gelöst werden?
  • Ist der vorgesehene Nachfolger bereits im Betrieb oder muss er erst gesucht werden?
  • Kann ein externer Nachfolger die operative Führung sofort oder nach nur kurzer Einführung übernehmen, oder braucht es eine längere Einführungszeit durch mich?

Je nach Beantwortung dieser Fragen verschiebt sich der Zeitpunkt der Nachfolgersuche nach hintern oder nach vorne.

Was sind die Voraussetzungen für den Erfolg einer Nachfolge?

Der Erfolg einer Nachfolge hängt in hohem Masse davon ab, inwieweit eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger den Betrieb überschauen kann, sowohl in Hinsicht auf die finanzielle, organisatorische und kommerzielle Führung. Vielfach führen Unternehmer, die das Geschäft aufgebaut oder über lange Jahre geleitet haben dieses mit wenig systematisierten Instrumenten und Zahlen. Hier besteht meistens Nachholbedarf. Will man sicherstellen, dass eine neue Führung das Geschäft schnell in den Griff bekommt, müssen bestimmte instrumentelle Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören ein klar strukturiertes Finanzinstrument mit entsprechenden Führungszahlen und Kontrollgrössen. Im Weiteren sollten Aufbau- und Ablauforganisation soweit bestehen, dass die Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen klar geregelt sind.

Auch hier gilt: Je mehr von diesen Anforderungen bereits erfüllt sind, desto mehr verschiebt sich der Zeitpunkt der Nachfolgevorbereitung nach vorn.

Zur Aufgabe der Zukunftssicherung eines Unternehmens gehört auch die Regelung einer Weiterführung im Falle von schwerer Krankheit, Unfall, oder Tod des Inhabers. Hier gilt selbstverständlich, dass eine Regelung getroffen sein muss, die zumindest für eine Zeit in der eine definitive Nachfolge geregelt wird der Fortbestand des Unternehmens sichergestellt ist.


Die Übergabe eines Unternehmens an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin kann grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen:

1) Share Deal

Hierbei erwirbt der Käufer vom Verkäufer die Anteile an der zum Verkauf stehenden Gesellschaft. Mit dem Begriff Share Deal  kann auch die teilweise Übernahme von Anteilen an einer Gesellschaft bezeichnet werden.

Der Share Deal stellt einen Rechtskauf dar, wobei Aktien, GmbH-Anteile (Geschäftsanteile), sowie Gesellschaftsanteile an einer Personengesellschaft Kaufgegenstand sind. Hierdurch wird der Erwerber Anteilseigner und erhält die mit der Beteiligung verbundenen Rechte und Pflichten.

Ein Share Deal lässt sich prinzipiell einfach in einem Kauf- und Übertragungsvertrag über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung (z.B. an einer GmbH oder Aktiengesellschaft) abbilden. In der Regel werden jedoch zusätzlich detaillierte Vereinbarungen darüber getroffen, inwiefern Risiken (z.B. mögliche Steuerverbindlichkeiten oder Garantiefälle) durch Käufer oder Verkäufer zu tragen sind. Verkäufer bevorzugen meistens einen Share Deal gegenüber einem Asset Deal, u.a. weil ein Veräusserungsgewinn aus einem Share Deal steuerliche Vorteile bietet, indem Kapitalgewinn nicht steuerbar ist.

Die Übertragung der Gesellschaftsbeteiligungen erfolgt durch Abtretung bzw. bei verbrieften Aktien durch Übereignung der Aktienurkunden, bei Namensaktien durch Indossierung.

2) Asset Deal

Bei einem Asset Deal handelt es sich um eine Unterart des Unternehmenskaufs. Der Kauf des Unternehmens vollzieht sich dabei durch den Erwerb sämtlicher Wirtschaftsgüter (engl. Assets) des Unternehmens. Hierbei werden die Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, also Grundstücke, Gebäude, Maschinen etc. im Rahmen der Singularsukzession und einzelne Verbindlichkeiten einzeln übertragen. Vermögensgegenstände, die einem Gesellschafter gehören, aber von der Gesellschaft genutzt werden, z. B. Immobilien, Grundstücke etc., gehen beim Übergang der Gesellschaftsbeteiligung nicht mit über. Gesondert vertraglich geregelt wird die Frage, ob der Erwerber für die vom bisherigen Unternehmensinhaber begründeten Unternehmensverbindlichkeiten haften und sie begleichen soll und welches Recht auf den Vertrag angewendet werden soll.

Die Übertragung der Assets bzw. Rechte geschieht an einem vertraglich vereinbarten Stichtag. Der Übergang der einzelnen Wirtschaftsgüter erfolgt durch Einigung und Übergabe, bei Grundstücken durch notarielle Auflassung und Eintragung in das Grundbuch.


Analyse der wirtschaftlichen Situation

Eine erste Klärung hinsichtlich gegebener Nachfolgelösungen besteht selbstverständlich darin, die gegenwärtige wirtschaftliche Situation und die Zukunftschancen eines Unternehmens zu analysieren. Dabei müssen vor allem Entwicklungsgrössen der Vergangenheit und erwartete Entwicklungen für die Zukunft bewertete werden. Die dazu wichtigsten Faktoren sind:

  • Wachstum der letzten Jahre
    Hat sich das Wachstum in den letzten Jahren positiv entwickelt, hat es stagniert oder war es gar rückläufig?
  • Gewinnentwicklung der letzten Jahre
    Auch hier stellen sich die gleichen Fragen nach positiver, stagnierender oder rückläufiger Entwicklung
  • Stabilität der Kundenbasis
    Verfügt das Unternehmen über einen stabilen Stamm von Kunden oder handelt es sich mehrheitlich um Einmalaufträge?
  • Art der Kundenbindung
    ist die Kundenbeziehung vor allem auf Personen bezogen oder auf das Unternehmen und seine Produkte. Führt der Abgang von Personen im Unternehmen zu grösseren Kundenverlusten?
  • Aktualität der Produkte und Dienstleistungen
    Sind die angebotenen Leistungen auch längerfristig marktkonform?
  • Konkurrenzsituation
    Wo steht das Unternehmen im Konkurrenzumfeld? Was sind die Stärken und Schwächen in Bezug auf die Konkurrenz? Was sind Vorteile der erbrachen Leistungen gegenüber Konkurrenzprodukten?
  • Chancen und Risiken
    Welche Chancen bestehen für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens? Welche Risiken sind vorhanden, wie kann ihnen begegnet werden?
  • Finanzielle Basis
    Wie stabil ist die finanzielle Situation des Unternehmens? Entspricht die vorhandene Liquidität den Anforderungen für das Betreiben des operativen Geschäfts. Wie gut ist das Unternehmens mit Eigenkapital ausgestattet?

Persönliche Erwägungen

Eine Nachfolge hat immer einen wesentlichen Einfluss auf die Zukunft zumindest zweier Personen, die des Nachfolgers und die des bisherigen Inhabers. Für beide müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Solche Rahmenbedingungen sind:

Für den bisherigen Besitzer/die bisherige Besitzerin:

  • Entschluss in eine neue Lebensphase einzutreten
  • Einfluss allfälliger Mitinhaber in die Planung
  • Bereitschaft, die unternehmerische Verantwortung voll oder teilweise abzugeben
  • Ideen und Pläne was der zukünfige Lebensinhalt sein kann
  • Absicherung der finanziellen Situation, wenn kein Lohneinkommen mehr besteht

Für den Nachfolger/die Nachfolgerin:

  • Bereitschaft als Unternehmer/in mehr Risiko einzugehen als als Angestellter
  • Allfällige Mitfinanzierung durch künftige Mitinhaber, die natürlich auch Einfluss auf die künftige Unternehmensführung nehmen können
  • Während der ersten Zeit nach der Übernahme Erbringen eines überdurchschnittlichen zeitlichen Einsatzes
  • Sicherstellung einer persönlichen finanziellen Absicherung um allenfalls Anfangsschwierigkeiten finanziell überbrücken zu können
  • Unterstützung durch soziales Umfeld (Familie, Freunde etc.) 

Unternehmerische Erwägungen

Neben den Überlegungen zur persönlichen Zukunft nach einer Nachfolge gibt es natürlich die Fragen, was passiert mit dem Unternehmen nach der Übergabe. Hier ist es besonders wichtig für den bisherigen Inhaber sich klar zu sein, was die Bedingungen an eine Nachfolgelösung sind.

Dabei sollte man möglichst realistisch bleiben, welchen Einfluss man auf das Unternehmen nach der Übergabe noch nehmen kann. Die folgenden Fragen sind typisch, wenn man sich die Bedingungen überlegt, die durch die Nachfolge erfüllt werden sollen. Am einfachsten ist es, wenn man diese Fragen nicht einfach schnell beantwortet, sondern sie in ihrer Bedeutung gewichtet.

Bedingungen an Nachfolgelösung

unabdingbar

wichtig unwichtig

Ist der Fortbestand des Unternehmens gesichert?

X    

Sind die Arbeitsplätze meiner Mitarbeitenden gesichert?

  X  

Sind die guten Kundenbeziehungen auch weiterhin gewährleistet?

  X  

Bleibt der heutige Standort und damit die Bedeutung des Unternehmens für die Standortgemeinde erhalten?

    X

Verfolgt der Nachfolger die gleiche Strategie, wie bisher?

    X

Führt der Nachfolger, die Nachfolgerin die bestehende Unternehmenskultur weiter, oder wird alles geändert?

  X  
etc.      

Selbstverständlich ist es praktisch unmöglich eine Garantie zu erhalten, dass die gewünschten Bedingungen erfüllt werden, da kein Käufer dieses gewährleisten kann und will, weil er dadurch massiv in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt würde. Hingegen kann bei der Auswahl des Nachfolgers abgeschätzt werden, was dessen Zukunftsvorstellungen sind.

Letztendlich stellt sich natürlich auch die Frage, wieweit man bereit ist, nicht nur den besten Preis als Kriterium zu berücksichtigen, sondern eben auch Zukunftsfragen für Unternehmen und Mitarbeitende.


Autor dieses Beitrags: Werner Fassbind

Auszug aus: Werner Fassbind, Nachfolgeregelung für KMU, Weka Verlag 2011

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