Wo stehe ich mit der Digitalisierung in meinem Unternehmen? Gibt es Prozesse, die einfacher und effizienter digital bewerkstelligt werden könnten?
Gibt es Doppelspurigkeiten und lästigen "Papier"-Datenaustausch mit dem Treuhänder? Bekomme ich meinen Jahresabschluss erst nach Monaten und ist dieser für mich dann überhaupt noch wichtig? Erfasst mein Treuhänder Buchungen, die eigentlich direkt über Geschäftsprozesse erfasst werden können? Fehlen mir kurzfristige Finanzinformationen zum Geschäftsgang?
Viele Kleinunternehmen haben einen Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung und Integration der Geschäftsprozesse. Seit Erstpublikation dieses Beitrages im Jahr 2010 hat die Digitalisierung nochmals einen riesigen Schub genommen. Wer nicht digitalisiert, automatisiert und Prozesse nach Möglichkeit Arbeitsplatz unabhängig und teilbar macht, riskiert den Fortbestand seines Unternehmens.
Steuerung und Überwachung der finanzrelevanten Geschäftsprozesse sowie die periodische "Bilanzerstellung" und Planung der zukünftigen Erträge und Aufwendungen sind zentrale Aufgaben der finanziellen Führung eines Unternehmens. Mit einer auf die konkreten Bedürfnisse abgestimmten Business-Software Lösung müssen die verschiedenen Verarbeitungsprozesse erleichtert und gestrafft werden können.
Wichtige Informationen sollen schnell und verlässlich verfügbar sein. Administrative Kosten sollen durch Vermeidung von Doppelspurigkeiten und ein optimales Zusammenspiel von Bereichen wie Verkaufsaktivitäten, Kundenbetreuung, Materialeinkauf, Zeiterfassung, Löhne, Lagerhaltung, etc. tief gehalten werden. Eine aktuelle Standortbestimmung bezüglich finanzieller Situation, Stand wichtiger Prozesse, Kennzahlen, etc. des Unternehmens sollte für die Geschäftsleitung jederzeit auf "Knopfdruck" verfügbar sein. Das wäre die ideale Situation.
Bei KMU's sind vielfach verschiedene mit dem Unternehmen kontinuierlich gewachsene und angepasste Einzellösungen im Einsatz, wie:
- allgemeine Office-Applikationen
- spezifische Datenbanklösungen
- Buchhaltungslösung mit oder ohne Zusatzmodule, wie Kasse, Debitoren, Kreditoren, Lohn, etc.
- Web-Applikationen
Der Vorteil einer traditionellen KMU typischen Software Umgebung sind gut nachvollziehbare Prozesse. Kleinere Anpassungen können jederzeit isoliert gemacht werden ohne andere Routinen zu tangieren. Dieser Vorteil ist gleichzeitig mit dem grossen Nachteil eines mangelnden Zusammenspiels und Doppelspurigkeiten bei der Verarbeitung und Auswertung von Informationen verbunden.
Inwieweit eine digital integrierte Unternehmensorganisation mittels Business-Software oder ERP-System - wo die finanzrelevanten Prozesse als Teil der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens abgehandelt werden - einen echten Vorteil bringt ist von Faktoren wie Unternehmensgrösse, Tätigkeit, Märkte, etc. abhängig.
Obschon kleinere Unternehmen mit Einzellösungen gut und günstig fahren, kann eine verstärkte Integration der verschiedenen Bereiche zu Prozessoptimierungen und Kosteneinsparung führen. Die digitale Transformation betrifft jedes Unternehmen spätestens auf Ebene Schnittstellen zur Aussenwelt, welche grösstenteils über das Netz abgehandelt werden. Wer die "Sprache" der digitalen Welt nicht spricht wird sich eines Tages nicht mehr verständigen können und untergehen.
Stark integrierte System sind anspruchsvoll in der Parametrisierung und Wartung. Um eine allzu grosse Abhängigkeit vom Systemlieferanten zu vermeiden werden, sollten inhouse IT-Kenntnisse mindestens auf Level Power-User vorhanden sein.
Ganzheitlich betrachtet sind die Faktoren Kosten, Zeit und Qualität entscheidend. Mit einer auf das Unternehmen zugeschnittenen integrierten Bussiness-Software Umgebung sind Vorteile in allen Bereichen zu erwarten.
Mikrounternehmen haben 0-4 Mitarbeiter. Der Unternehmer / Eigentümer arbeitet im Tagesgeschäft mit und hat das "Kalkulationsschema" seines Geschäfts gewissermassen im Kopf. Aufgrund der laufenden Verkaufszahlen, Einkäufen, Löhnen und allgemeinen Auslagen - sowie der entsprechenden Liquiditätsentwicklung - kann der Unternehmer relativ gut abschätzen, wo sein Unternehmen finanziell steht. Für ihn ist meistens ausreichend erst am Jahresende eine genaue Erfolgs- und Finanzsituation durch den Treuhänder zu bekommen.
Bei einem Startup oder im Falle einer Unternehmensnachfolge oder eines Unternehmenskaufs ist die Ausgangslage ganz anders. Bei Fremdfinanzierung mit Amortisationsverpflichtungen muss die finanzielle Lage des Unternehmens permanent überwacht werden. Dies proaktiv mittels Businessplan sowie Finanzplanung und nachgelagert mit kurzfristiger Erfolgskontrolle (Soll-Ist-Vergleich).
Auch bei Mikrounternehmen bringt eine softwaremässig gestützte und integrierte Abhandlung der wichtigsten Prozesse Vorteile.
Das nachfolgende Beispiel zeigt eine mögliche Business-Software Umgebung für ein Mikrounternehmen im Dienstleistungsbereich:
Bereich | Software/Modul |
Kundenmanagement | Kundendatenbank mit Angaben zur Kundenbeziehung |
Leistungserfassung | Zeit und Projektrapportierung (Time-Sheet), Spesenabrechnung, Projektabrechnung mit Schnittstelle zu Auftragsabwicklung |
Fakturation / Debitoren |
Einfache Auftragsabwicklung mit Fakturation und Zahlungsverarbeitung |
Kreditoren | QR-Rechnungserfassung, Kreditorenkonten und Zahlungsverarbeitung |
Löhne | Personalangaben, Lohnabrechnungen, Abrechnung Sozialversicherungen und Lohnausweise, Zahlungswesen automatisiert |
Finanzbuchhaltung / Berichterstattung |
Hauptbuchführung für noch nicht in Vorsystemen erfasste Geschäftsfälle über digitalisierte Kontenauszüge teilautomatisiert. Möglichkeit Budgetierung und Soll-Ist-Vergleich direkt in der Finanzbuchhaltung. Analytische Auswertungen. Präsentation offizielle Jahresrechnung nach Rechnungslegungsrecht. |
Webbasierte Cloud-Lösungen haben den Vorteil, dass die Softwareprodukte immer auf dem neusten Stand sind und der Benutzer keine diesbezüglichen Vorkehrungen zu treffen hat. Zudem sind die Daten ausserhalb des Unternehmens gesichert. Cloud-Anbieter können Cybersecurity Konzepte aufbauen, welche innerhalb eines Unternehmens kaum in gleicher Qualität zu bewerkstelligen sind. Weiter kann der Treuhänder extern auf das System greifen und beispielsweise regelmässige Kontrollen bezüglich richtiger Erfassung der Geschäftsfälle vornehmen.
Viele Treuhänder bieten auch digitale Lösungen an. Für das Mikro- und Kleinunternehmen stellt sich die Frage, ob die Digitalisierung des Unternehmens über den Treuhänder oder direkt mit einem eigenen Drittprodukt erfolgen soll. Bei der ersten Variante besteht eine Abhängigkeit vom Treuhänder, bei der zweiten Variante eine solche vom Systemanbieter. Kleinunternehmen sollten mit einem benutzerfreundlichen und selbständig gut parametrisierbaren System arbeiten. Die Standardmodule sollten ohne Anpassungen übernommen werden können. Grundlegende Berichte und Auswertungen müssen über die Basisversion ohne vertiefte IT-Kenntnisse, wie z.B. SQL, generiert werden können. Die Lösung muss auf KMU's ausgerichtet und bewährt sein. Experimente sind nicht erlaubt.
Kleinunternehmen haben 5-49 Vollzeitstellen. Die Ansprüche an die finanzielle Führung nehmen bei dieser Grössenkategorie in der Regel mit der Anzahl der Beschäftigten stark zu.
Bei vielen Unternehmen in diesem Segment steht immer noch die eigentliche Finanzbuchhaltung im Vordergrund. Je nach Tätigkeitsfeld werden auch Dienstleistung oder Produkt orientierte Applikationen eingesetzt.
Das nachfolgende Beispiel zeigt eine mögliche Business-Software Umgebung für ein Kleinunternehmen:
Bereich | Software / Modul / Möglichkeiten |
Kundenmanagement | CRM-System |
Projekt- / Auftragsbearbeitung | Offerte, Kalkulation, Terminplanung, Kundenauftrag, Disposition, Lieferung, Fakturation, Webshop |
Debitorenkontrolle | Debitorenbuchhaltung, Mahnwesen, Zahlungsverarbeitung |
Beschaffung | Waren- und Materialbestellungen, Projekt oder Auftrag bezogene Einkäufe, Stücklisten, Lagerbewirtschaftung und Lagerbewertung, Kreditorenbuchhaltung und Zahlungswesen |
Personal | Personaldaten, Präsenz- und Ferienkontrolle, Lohnabrechnung, Sozialversicherung Beitragsabrechnung, Lohnzahlung, Spesenabrechnung |
Finanzbuchhaltung / Controlling | Hauptbuchführung für übrige Geschäftsfälle, Abstimmungen bezüglich Integration automatisierte Buchungsvorgänge aus Vorsystemen, Spezialbelge für Abschlussbuchungen und Dokumentation, gängige Auswertungen Bilanz-, Erfolgsrechnung und eventuell Anhang für Ausserbilanzgeschäfte. Möglichkeit verschiedene Sichten und Kontenauswertungen über das Gesamtunternehmen (wie z.B. einfache Mittelflussrechnung). Budgetierung. |
Kosten und Finanzplanung | Kostenstellen-Budget und Kostenkontrolle, Finanzplanung allgemein (Budget) |
Mittelunternehmen haben 50-249 Vollzeitbeschäftigte. Eine effiziente finanzielle Führung ist nur mit angemessener, integrierter Business-Software oder einem ERP möglich. Eine ungenügende Organisation der finanziellen Führung kann verehrende Folgen haben und im Schadenfall bei Sorgfaltspflichtverletzungen zu Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber dem Leitungsorgan führen.
Der Einsatz einer umfassenden ERP-Lösung ist mindestens eingehend zu prüfen. Ein gut abgestimmtes konventionelles Systems mit Einzellösungen sowie klassischen Modulen des Rechnungswesens (analog des Kleinunternehmens) kann grundsätzlich ausreichend sein.
Bei Mittelunternehmen umfasst die finanzielle Führung ebenfalls ein durch gezielte Sichtweise der im Unternehmensprozess anfallenden Daten (Business-Intelligence) mögliches "Performance Management".
Unternehmen dieser Grösse sind allenfalls gesetzlich verpflichtet ein internes Kotrollsystem zu haben. Innerhalb der Prozesse eines umfassenden BS oder ERP-Systems sind wichtige IKS-Vorkehrungen bereits eingebaut.
Autor dieses Beitrags: André Bolla