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Corporate Governance

Corporate Governance“ – was ist das eigentlich? Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn der Begriff ist auf verschiedensten Ebenen rund um das Unternehmen anzutreffen. Das Thema ist ebenfalls als Oberbegriff in der politischen Diskussion zwischen Regulierung und der Gewährung eines möglichst freien wirtschaftlichen Handelns allpräsent.

Nach den OECD-Grundsätzen der Corporate Governance geht es um Regeln und gute Praktiken der Unternehmensführung. Gute Corporate Governance hilft ein Umfeld des Vertrauens, der Transparenz und Rechenschaftsablage zur Förderung von langfristigen Investitionen, Finanzstabilität und Integrität zu schaffen.

Die Grundsätze gelten hauptsächlich für börsenkotierte Unternehmen, sind aber ohne Zweifel auch ein nützliches Instrument zur Verbesserung der Unternehmensführung bei nicht börsenkotierten Unternehmen. Corporate Governance Praktiken gehören gemäss OECD zu den zentralen Voraussetzungen für die Verbesserung von wirtschaftlicher Effizienz und Wachstum wie auch zur Stärkung des Anlegervertrauens. Die Regeln betreffen das ganze „Geflecht“ der Beziehungen zwischen dem Management eines Unternehmens, dem Aufsichtsrat (Verwaltungsrat), den Aktionären und anderen Unternehmensbeteiligten (Stakeholder). Die Corporate Governance liefert den strukturellen Rahmen für die Festlegung der Unternehmensziele, die Identifizierung der Mittel (Ressourcen) und Wege (Organisation). Ein gutes Corporate-Governace-System sollte dem obersten Leitungsorgan und der operativen Unternehmensführung die richtigen Anreize zur Verfolgung der im Interesse des Unternehmens und seiner Eigner (Aktionäre oder Gesellschafter) liegenden Ziele geben und eine wirkungsvolle Überwachung erleichtern. Ein effektives Corporate-Governance-System in den einzelnen Unternehmen wie auch in der Wirtschaft insgesamt sorgt mit für das Mass an Vertrauen, das für ein reibungsloses Funktionieren der Marktwirtschaft unerlässlich ist.

Aus den OECD-Grundsätzen lässt sich ableiten, dass Corporate Governance als die Gesamtheit der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung der Führung / Leitung und Überwachung von Unternehmen und anderen Organisationen verstanden werden kann. Eine gute Corporate Governance hat den Zweck langfristiges und nachhaltiges Wachstum des Unternehmens zu gewährleisten und Vertrauen zu fördern, was insbesondere auch im Interesse von langfristig orientierten Kapitalgebern und der gesamten Marktwirtschaft ist. Einfach zusammengefasst kann Corporate Governance als Führungs- und Überwachungssystem des Unternehmens bezeichnet werden.

Je stärker die Trennung zwischen Unternehmensführung und Kapitalgebern ist, desto wichtiger ist Corporate Governance. Bei börsenkotierten Unternehmen sind die Regeln deshalb stark ausgebaut und in verschiedenen Bereichen gesetzlich verbindlich geregelt.

Corporate Governance ist kein statisches Gebilde. Vielmehr müssen die Regeln, entsprechend den Bedürfnissen, der sich laufend verändernden allgemeinen Rahmen- und Marktbedingungen, in einem evolutiven Prozess immer wieder angepasst und weiter entwickelt werden. Trends und Einflüsse, wie ESG (Environment-Social-Governance), Blockchain, Data Analytics und Science (aus Daten Wissen machen), umfassender Datenschutz, künstliche Intelligenz, etc. sind rechtzeitig im Gesamtkonzept der CG zu berücksichtigen.


Corporate Governance beschäftigt sich mit Verhaltensregeln, die für die Unternehmensleitung, die Mitarbeitenden und das Unternehmen selbst gelten; und die eine gute, wertorientierte, verantwortungsvolle und zielgerichtete Führung und Überwachung des Unternehmens bewirken sollen. Corporate Governance umfasst konkret Vorgaben und Verhaltensregeln, wie

  • das Einhalten von Gesetzen und Regelwerken (Compliance > to comply with law > in Übereinstimmung mit den Gesetzen sein);
  • das Befolgen anerkannter Standards und Empfehlungen (z.B im Bereich Rechnungslegung);
  • das Entwickeln und Befolgen eigener Unternehmensleitlinien (Unternehmens-Charta).

Ein grosser Teil der Coporate-Governance-Regeln ergeben sich heute durch das Handelsrecht (in der Schweiz insbesondere aus dem Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht), welches in den letzten Jahren in diese Richtung kontinuierlich ausgebaut wurde. Regeln können aber ebenfalls durch die Eigentümer, den Verwaltungsrat oder das Management aufgestellt werden. Formell findet man die Regeln somit in Gesetzen, Ausführungsverordnungen, Kodexen (z.B. Swiss-Code von economiesuisse), im Unternehmensleitbild, im Organisationsreglement, im Mitarbeiterhandbuch, u.a.m.. Zudem hat jedes Unternehmen seine eigene Kultur aus dieser sich weitere nicht formalisierte Corporate-Governance-Regeln ergeben können. 

Bei der KMU sind wichtige Corporate-Governance-Regeln im Handelsrecht (Summe der Normen, die den Geschäftsverkehr regeln) geregelt. Deren Nichteinhaltung stellt ein Gesetzesverstoss dar und kann bei Entstehung eines Schadens, verbunden mit Gesetzesverstössen und Sorgfaltspflichtverletzungen, zu Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Unternehmen oder der Unternehmensleitung sowie der Organe führen.

Corporate Governance ist ebenfalls für kleinere Unternehmen von Bedeutung. In der Regel bilden dort die Statuten und die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen im Handelsrecht, den Steuergesetzen und dem Wirtschaftsstrafrecht sowie die Führungskultur des Unternehmers die Grundlage. Je einfacher die Führungs- und Kontrollstruktur ist, desto mehr Selbstverantwortung für die Umsetzung und Einhaltung guter Corporate Governance besteht beim einzelnen Mitarbeitenden.

Aspekte von guter Corporate Governance bei der KMU:

  • Gut organisierte Unternehmensleitung mit klarer Regelung von Zuständigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
  • Wahrung der Interessen verschiedener Gruppen, wie Aktionäre / Minderheitsaktionäre, Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten, Kreditgeber, Öffentlichkeit (Shareholders und Stakeholders)
  • Zielgerichtete Zusammenarbeit der Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung
  • Gute Unternehmenskommunikation "top-down" und "bottom-up"
  • Weiterbildung Mitarbeitende auf allen Stufen  
  • Angemessener Umgang mit Risiken
  • Managemententscheidungen sind auf nachhaltige Wertschöpfung ausgerichtet
  • Sensibilität für Veränderungen der Märkte und Rahmenbedingungen
  • Veränderungsprozesse als Führungsaufgabe wahrnehmen und gestalten
  • Klare Trennung zwischen Privat- und Geschäftsvermögen, Vermeidung von gegenseitigen Abhängigkeiten
  • Integrität und Ethik der Geschäftsleitung
  • Ausgewogenheit zwischen bei KMU-typischer zwangsläufiger Kumulation von Funktionen (mit kurzer flexibler Entscheidfindung) und angemessener Überwachung / Kontrolle, bzw. 4-Augenprinzip
  • Klare Regelung des Verhältnisses zwischen den Aktionären (Aktionärsbindungsvertrag) oder bei komplexen Familienverhältnissen mit verschiedenen Interessenlagen Definition von Zielen, Werten und Prozeduren innerhalb einer Familiencharta
  • Zukünftige Trends rechtzeitig erkennen und notwendige Anpassungen vornehmen

Bei der KMU ist Corporate Governance ein gesamtes gesetzliches, reglementarisches und moralisches "Rahmenwerk", innerhalb dessen die unternehmerische Tätigkeit effizient und zielgerichtet stattfindet.

Gute Corporate Governance ist mit erfolgreichem unternehmerischem Handeln verbunden. Wenn es gelingt eine langfristige Wertsteigerung zu erreichen, indem durch laufende Weiterentwicklung zukünftige Wertschöpfungspotentiale nachhaltig ausgenutzt werden, kann den Anforderungen einer guten Corporate Governance besser nachgelebt werden. 


Im "Swiss Code of Best Practice für Corporate Governance" oder auch kurz Swiss Code oder SCBP hat economiesuisse als Verband der Schweizer Unternehmen aus allen Branchen Grundsätze für Corporate Governance in der Schweiz umschrieben.

Die "Best Practices", die der "Swiss Code" festhält, sind gemäss "economiesuisse" Leitlinien und Empfehlungen, die sich in erster Linie an schweizerischen Publikumsgesellschaften richten. Jedem Unternehmen soll es offenstehen, in Ergänzung zum "Swiss Code" - und wo nötig auch in Abweichung davon - andere Gewichtungen vorzunehmen und eigene Ideen zu verfolgen. Auch nicht kotierte volkswirtschaftlich bedeutende Gesellschaften oder Organisationen können dem "Swiss Code" zweckmässige Leitideen entnehmen.

Die "SIX Exchange Regulation" hat eine eigene Richtlinie zur CG (RLCG), deren Einhaltung für Emittenten verbindlich ist.

Anfangs 2023 hat economiesuisse ein überarbeitete Versions des SCBP veröffentlicht. Gegenüber der früheren Version sind in Folge gesetzlicher Anpassungen im Bereich übermässige Vergütungen viel mehr Regeln enthalten sind. Die neuen Bestimmungen hinterlassen jedoch nicht unbedingt den Eindruck exorbitante Vergütungen bekämpfen zu wollen, sondern zeigen eher Möglichkeiten auf mit welchen Begründungen Bezüge gerechtfertigt werden können. Die explizite Zuweisung der Verantwortung für die Gesamtbeträge der Vergütungen der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats an die Aktionärinnen und Aktionäre entspricht dem Gesetz. Wie im SCBP stipuliert, ist die Vergütungsfrage jedoch komplex. Die Frage stellt sich, inwieweit breit gestreute Publikumsaktionäre diese Verantwortung überhaupt wahrnehmen können.

Für grosse und privat gehaltene KMU's beinhaltet der SCBP dennoch sehr viele elementare Regeln, die unbedingt eingehalten werden sollten. Es ist Pflicht jedes KMU-Verwaltungsrats sich mit diesen Regeln auseinander zu setzen und die Anwendbarkeit der Prinzipien bezogen auf sein Unternehmen zu analysieren.

Die Grundsätze des SCBP werden nachfolgend in geraffter Form wiedergegeben.

  • Den Aktionärinnen und Aktionären steht die letzte Entscheidung in der Gesellschaft zu.
  • Die Gesellschaft ist bestrebt, den Aktionärinnen und Aktionären die Ausübung ihrer gesetzlichen Rechte zu erleichtern.
  • Die Gesellschaft sorgt dafür, dass die Generalversammlung als Ort der Kommunikation benützt wird und ihre Aufgabe als oberstes Organ gut informiert erfüllen kann.
  • Die Gesellschaft erleichtert den Aktionärinnen und Aktionären die Teilnahme an der Generalversammlung und die Ausübung ihrer Rechte durch frühzeitige und klare Festsetzung der Termine.
  • In der Generalversammlung sorgt der Verwaltungsrat dafür, dass die Aktionärinnen und Aktionäre sich zu den Traktanden sachlich und konzis äussern können.
  • Das Recht der Aktionärinnen und Aktionäre auf Auskunft ist organisatorisch zu gewährleisten.
  • In der Generalversammlung soll der Wille der Mehrheit unverfälscht zum Ausdruck kommen.
  • Der Verwaltungsrat pflegt den Dialog mit den Aktionärinnen und Aktionären auch zwischen den Generalversammlungen.
  • Der Verwaltungsrat nimmt die Oberleitung und Oberaufsicht im Konzern wahr und legt das nachhaltige Unternehmensinteresse fest.
  • Die unentziehbaren und unübertragbaren Hauptaufgaben des Verwaltungsrats sind im Schweizer Aktienrecht festgelegt.
  • Der Verwaltungsrat ordnet die Kompetenzen der mit der Geschäftsführung betrauten Personen.
  • Der Verwaltungsrat prägt die Unternehmenskultur.
  • Der Verwaltungsrat soll sich aus Personen zusammensetzen, die in ihrem Zusammenwirken als Gremium für eine optimale Erfüllung der Aufgaben sorgen.
  • Der Verwaltungsrat plant seine Erneuerung und sorgt für die Weiterbildung seiner Mitglieder.
  • Dem Verwaltungsrat gehören mehrheitlich unabhängige Mitglieder an. Ihnen kommt namentlich in den Ausschüssen eine besondere Bedeutung zu.
  • Der Verwaltungsrat legt für seine Tätigkeit zweckmässige Verfahren fest.
  • Die Präsidentin bzw. der Präsident ist verantwortlich für die Vorbereitung und Leitung der Sitzung; sie/er ist der Garantin/Garant der Information.
  • Der Grundsatz der Ausgewogenheit von Leitung und Aufsicht gilt auch für die Unternehmensspitze.
  • Der Verwaltungsrat und jedes Mitglied von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sorgen dafür, dass Interessenkonflikte die unabhängige Wahrung der Gesellschaftsinteressen nicht gefährden.
  • Der Verwaltungsrat regelt die näheren Grundsätze für die Ad-hoc-Publizität und trifft Massnahmen zur Verhinderung von Verstössen gegen das Insiderrecht.
  • Der Verwaltungsrat bildet Ausschüsse mit definierten Aufgaben.
  • Der Verwaltungsrat setzt einen Prüfungsausschuss ["Audit Committee"] ein.
  • Der Prüfungsausschuss bildet sich ein eigenständiges Urteil über die externe und interne Revision, das interne Kontrollsystem sowie die finanzielle und nichtfinanzielle Berichterstattung.
  • Der Verwaltungsrat wird bei der Erfüllung der Aufgaben im Bereich der Vergütungen vom Vergütungsausschuss ["Compensation Committee"] unterstützt.
  • Der Verwaltungsrat setzt einen Nominationsausschuss ["Nomination Committee"] ein.
  • Der Verwaltungsrat sorgt für ein dem Unternehmen angepasstes internes Kontrollsystem, welches Risikomanagement, Compliance und Finanzüberwachung umfasst.
  • Das Unternehmen verfügt über ein angemessenes Risikomanagement. Der Verwaltungsrat nimmt eine regelmässige Risikobeurteilung vor.
  • Der Verwaltungsrat ist dafür besorgt, dass das Unternehmen insgesamt Gesetze und interne Normen einhält (Compliance) und auch darüber hinaus verantwortungsvoll handelt.
  • Der Verwaltungsrat sorgt für die Finanzüberwachung.
  • Das Unternehmen stellt sicher, dass die mit der Nutzung von Daten verbundenen Risiken beherrscht und sinnvoll begrenzt werden.
  • Die interne Revision beurteilt die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems.
  • Die Revisionsstelle erfüllt als Organ die Aufgaben der externen Revision und kann gegebenenfalls für weitere Prüfleistungen mandatiert werden.
  • Qualitätssicherung und Unabhängigkeit der Revisionsunternehmen
  • Die Gesellschaft macht in ihrer Berichterstattung relevante und verlässliche Angaben finanziellen und nichtfinanziellen Belangen der Corporate Governance.
  • Die Aktionärinnen und Aktionäre tragen die oberste Verantwortung für die Gesamtbeträge der Vergütungen des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sowie die Zusammensetzung des Vergütungsausschusses.
  • Der Verwaltungsrat fasst Beschluss über die Vergütungspolitik, die grundsätzliche Ausgestaltung des Vergütungssystems und über die Vergütungsanträge an die Generalversammlung.
  • Der Vergütungsausschuss soll aus unabhängigen Mitgliedern des Verwaltungsrats bestehen.
  • Dem Vergütungsausschuss kommt bei der Umsetzung der Vorgaben von Gesetz, Statuten und Generalversammlung eine Schlüsselrolle zu, die Sachkenntnis und Engagement im Interesse des Unternehmens verlangt.
  • Die Vergütungspolitik soll dafür sorgen, dass der Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und die Mitarbeitenden für Leistungen entschädigt und zu Leistungen motiviert werden, die dem Ziel der nachhaltigen Unternehmensentwicklung und der langfristigen Steigerung des Unternehmenswerts dienen.
  • Das Vergütungssystem ist so ausgestaltet, dass es auf der Grundlage transparenter und nachvollziehbarer Kriterien die Ausrichtung von Vergütungen im Einklang mit dem nachhaltigen Unternehmensinteresse gewährleistet.
  • Das Vergütungssystem enthält in der Regel fixe und variable Teile. Es belohnt Leistungen, die auf eine mittel- und langfristige Zielerreichung ausgerichtet sind, mit erst später verfügbaren Entschädigungselementen.
  • Der Verwaltungsrat erstellt jährlich einen Vergütungsbericht und sorgt für Transparenz im Bereich der Vergütungen an die Mitglieder von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.
  • Die Regeln des "Swiss Codes" können, je nach Aktionärsstruktur und Grösse des Unternehmens, den konkreten Verhältnissen angepasst werden.

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