Im Lebenszyklus eines Unternehmens gibt es immer wieder Anlässe und Veränderungsprozesse, bei denen Überlegungen zum Wert des Unternehmens angestellt werden müssen.
Da ein Unternehmen ein komplexes System von Sachwerten und nicht konkret fassbaren Geschäftswerten, wie Marktposition, Gewinnpotential, Kundenruf, Know-how, Mitarbeiterqualität, u.a.m. ist, kann sich der Werte je nach Einschätzung von Chancen und Risiken in einer grossen Bandbreite bewegen. In der KMU-Praxis erfolgt die Unternehmensbewertung deshalb meistens in einem gekürzten summarischen Verfahren. Erfolgt die Bewertung in Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf oder -Verkauf, dient das Ergebnis primär nur als Ausgangsbasis für die späteren Preisverhandlungen.
Aus einer Jahresrechnung, die nach einem betriebswirtschaftlichen Rechnungslegungskonzept wie Swiss GAAP FER erstellt wurde sowie einem fundierten Businessplan mit vollständiger Finanzplanung, lässt sich ein summarischer Unternehmenswert recht einfach ableiten.
Bei der Unternehmensbewertung geht es um die Bewertung des Unternehmens als Einheit oder allenfalls von einzelnen Betriebsteilen, die wiederum als unternehmerische Einheit betrachtet werden können, wie dies z.B. bei einer Spaltung eines Unternehmens der Fall sein kann.
Nicht betriebsnotwendige Unternehmensteile werden ausgeschieden und separat bewertet. In einem nach Swiss GAAP FER erstellten Jahresabschluss sind solche Unternehmensteile (z.B. Sachanlagen, die ausschliesslich zu Renditezwecken gehalten werden) bereits ausgeschieden und zum Marktwert bewertet.
Die eigentliche Unternehmensbewertung befasst sich primär mit der dynamischen und statischen finanziellen Situation eines Unternehmens und leitet daraus einen Wert ab. Das Zahlenmaterial wird plausibilitätsmässig zwar hinterfragt aber es erfolgt grundsätzlich keine tiefere Untersuchung der Grundlagendaten, wie dies bei einer "Due Diligence" im Rahmen eines Unternehmenskaufs- bzw. Verkaufs gemacht wird.
Von besonderer Bedeutung ist auch der Anlass, aus welchem eine Unternehmensbewertung durchgeführt wird, so kann dies
- ein Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens;
- eine Umstrukturierung mit Umwandlung, Fusion, Spaltung oder Vermögensübertragung gemäss Fusionsgesetz;
- eine Auszahlung eines Gesellschafters;
- eine Mitarbeiterbeteiligung;
- steuerliche Ermittlung eines Vermögenswertes;
- etc.
sein. Je nach Bewertungsanlass und Funktion können Betrachtungsweisen des Bewerters einen bestimmten Interpretationsspielraum erlauben und so Resultate innerhalb einer bestimmten Bandbreite beeinflussen. Wenn der Bewerter einen Verkäufer berät, werden die positiven Einschätzungen der Chancen (und Risiken) des zukünftigen Geschäftsverlaufs ohne allzu grosse eigene Hinterfragung des Bewerters vom Auftraggeber übernommen. Es muss folglich immer offengelegt werden, in welcher Funktion der Bewerter tätig ist. Dies kann als
- neutraler Bewerter,
- Schiedsgutacher oder
- Parteigutachter bzw. Berater
der Fall sein.
Es gibt verschiedene Methoden zur Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensteilen. In den letzten Jahren haben sich die finanztheoretischen Modelle, welche auf der Investitionsrechnung basieren, klar durchgesetzt.
Die Ermittlung des Unternehmenswertes muss nach bestimmten allgemein anerkannten Grundsätzen aus Theorie und Praxis erfolgen. Entsprechende Punkte sind:
- Der Bewertungszweck sowie die Funktion des Bewerters müssen klar offen gelegt werden.
- Das Unternehmen oder Unternehmensteile müssen als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden.
- Die Bewertung erfolgt auf einen bestimmten Stichtag.
- Die Prognose der zukünftig erzielbaren Erträge oder Cash-Flows muss objektiv nachvollziehbar sein.
- Die Prognose basiert auf einer systematischen Informationsbeschaffung, Vergangenheitsanalyse, nachhaltigen Planung und Plausibilitätsbeurteilung.
- Der Bezug zwischen zukünftig erzielbaren Erträge oder Cash-Flows und vorhandener sowie zukünftig vorhandener Substanz muss nachvollziehbar sein.
- Bei der Kapitalisierung der zukünftigen Erträge oder Cash-Flows muss das spezifische und allgemeine Unternehmensrisiko angemessen und vernünftig berücksichtigt werden (Risikozuschlag im Kapitalisierungszinssatz).
- Es ist zwischen Brutto- (Rendite vor Deckung der Fremdkapitalkosten) und Nettomethode (Rendite nach Deckung sämtlicher Fremdkapitalkosten) zu unterscheiden.
- Das nicht betriebsnotwendige Vermögen muss separat zum Liquidations- bzw. Marktwert, mit voller Berücksichtigung der latenten Steuerlast auf positiven Wertdifferenzen, bewertet werden.
- Der Unternehmenswert entspricht grundsätzlich dem Barwert der zukünftig möglichen Ausschüttungen.
- Die angewandte Bewertungsmethode ist kurz zu erläutern und zu begründen.
- Das Bewertungsergebnis ist zu erläutern und nach Möglichkeit alternativ kurz zu plausibilisieren.
Ein gutes KMU-Bewertungsgutachten zeichnet sich nicht durch komplizierte mathematische Berechnungen, theoretische Abhandlungen und umfangreiche Planzahlen aus, sondern durch ein nachvollziehbares und plausibles Abbild der zukünftigen Ertragsmöglichkeiten des Bewertungsobjekts. Dabei müssen entscheidende Wertgeneratoren "value-drivers" und deren Auswirkungen bei Veränderungen ersichtlich sein. Bei einem guten Gutachten ist nicht der ermittelte Unternehmenswert selber das Wertvolle, sondern die angestellten Überlegungen und Schlussfolgerungen zu dessen Herleitung.
Beim Ertragswertverfahren wird, ausgehend von betriebswirtschaftlich bereinigten Vergangenheitsergebnissen und Budgets, der nachhaltig mögliche zukünftige Gewinn ermittelt. Dieser wird mit einem risikoangemessenen Renditezinsfuss kapitalisiert. Je höher das unternehmerische Risiko beurteilt wird, desto höher muss auch die entsprechende Zielrendite sein und desto tiefer wird folglich der kapitalisierte Unternehmens- bzw. Investitionswert. Ist der ermittelte Unternehmenswert höher als der Substanzwert, resultiert in der Differenz zwischen Ertrags- und Substanzwert ein rechnerischer Goodwill (Geschäftsmehrwert).
Beim Discounted-Cash-Flow Verfahren (DCF-Methode) erfolgt die Ermittlung des Unternehmenswertes durch Diskontierung aller aus unternehmerischer Tätigkeit resultierenden zukünftigen frei verfügbaren Überschüssen an flüssigen Mittel (Free-Cash-Flows). Das Verfahren stimmt in der Grundidee mit dem Ertragswertverfahren überein, wobei jedoch zukünftige Investitionen und der unterschiedliche „Rückflussanfall“ genauer, und nach dem finanztheoretischen Modell der Investitionsrechnung, berücksichtigt werden.
Die Ermittlung des zukünftigen freien Cash-Flows erfolgte mittels „vollständiger Finanzplanung“, die ausgehend von Planerfolgsrechnungen und -Bilanzen den zukünftig frei verfügbaren Cash-Flow im Modell projiziert. Bei einfacheren Verhältnissen kann der zukünftige Cash-Flow auch nur über Planerfolgsrechnungen ermittelt werden.
Bei der DCF-Methode wird zwischen dem Detail-Planungshorizont (mindestens 5 Jahre) und einem geplanten Endwert unterschieden. Der Barwert des Endwertes ist meistens höher als der Barwert des Detail-Planungshorizontes, was an dieser Methode auch bemängelt wird.
Der Substanzwert basiert auf möglichst genauen Werten der betriebsnotwendigen Aktiven abzüglich betriebsnotwendigen Passiven und langfristigen Finanzschulden. Der Marktwert von einzelnen Vermögensgegenständen ist dabei nicht unbedingt relevant, denn das Geschäftsvermögen bildet eine dynamische Einheit und ergibt einen Wert in der Summe und Kombination der einzelnen Elemente und dies immer im Fokus der unternehmerischen Wertschöpfung bzw. der Wertschöpfungsprozesse und Ertragsgenerierung. Man geht deshalb bei den Aktiven, die nicht einen direkt absatzmarktbezogenen Wert haben (wie z.B. die unternehmerischen Sach- und Produktionsanlagen) von einem Wiederbeschaffungswert aus, den man meistens vereinfacht über die in der Vergangenheit getätigten Investitionen abzüglich Abschreibungen, entsprechend der wirtschaftlicher Nutzdauer, ermittelt. Der Substanzwert wird unter der Prämisse der Unternehmensfortführung ermittelt und ist im Normalfall höher als der Liquidationswert, welcher die Wertuntergrenze darstellt.
Bei Anwendung einer betriebswirtschaftlich orientierten Rechnungslegungsnorm, wie z.B. Swiss GAAP FER, entspricht der Substanzwert grundsätzlich dem gemäss Bilanz ausgewiesenen Eigenkapital.
Bei einer rein handelsrechtlichen und nach steuerlichen Möglichkeiten optimierten Rechnungslegung, ist das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital in der Regel niedriger als das effektive Eigenkapital bzw. der Substanzwert. Auf der Bewertungsdifferenz, welche auch als „stille Reserven“ bezeichnet wird, sind in diesem Fall die latenten Steuern zu berücksichtigen.
Der Substanzwert sollte bei jeder Unternehmensbewertung mindestens als Kontroll- oder Plausibilisierungswert ermittelt werden. Nicht betriebsnotwendige Substanz (z.B. eine nicht betriebliche Liegenschaft) muss bei jeder Bewertungsmethode ausgeschieden und gesondert zum Marktwert bewertet werden.
Bei der Praktiker- oder Mittelwertmethode wird der Unternehmenswert über eine Vermischung des Ertrags- und Substanzwertes bestimmt. Bei einer Gewichtung von 1 zu 1 und Vorhandenseins eines rechnerischen Goodwills – Differenz zwischen Substanz- und einen höheren Ertragswert – wird dieser so um 50% gekürzt. Mit diesem Vorgehen wird gewissermassen eine Neutralisierung der dynamischen Wunschvorstellungen (Umsatzpläne, Budgets, etc.) mit den statischen Fakten (Substanzwert) erreicht. Der rein aus der Theorie der Investitionsrechnung zwar nicht nachvollziehbare Mittelwert wird so in der Praxis als vernünftiger Kompromisswert wahrgenommen. Beispielsweise bei familieninternen Nachfolgelösungen braucht es oft einen Wert, damit man „einfach“ einen Wert hat. In solchen Fällen macht die Praktikermethode durchwegs Sinn.
Die Praktikermethode wird in der Schweiz auch zur Ermittlung des massgebenden Vermögenssteuerwerts von Gesellschaftsanteilen im Besitz von natürlichen Personen angewendet. Bei der steuerlichen Bewertungsrichtlinie wird der Ertragswert zweimal und der Substanzwert einmal gewichtet.